Philipp Hochmair, Julia Koch, Waschke, Möhring, Eisfeld, Baxmeyer. Kann man einem Profikiller vertrauen? Von Rainer Tittelbach
Der zweite Film um den „Zeugenschutzbeauftragten“ a.D. Lukas Geier, kommt schnell zur Sache. Sein neuer Klient wird nur „der Chirurg“ genannt, weil er seine sieben Morde für die kalabrische Mafia höchst präzise ausgeführt und keine Spuren hinterlassen hat. Jetzt will er aussteigen. Aber weshalb? „Freund oder Feind“, der Titel der zweiten Episode von „Der Geier“ (ZDF / Network Movie) bleibt bis in den neunminütigen Showdown hinein virulent. Ist alles ein abgekartetes Spiel? Soll der Geier in eine Falle gelockt werden? Trotz stimmiger Psychologie, effektiver Dramaturgie und Drama-geschultem Top-Ensemble bleibt dieser Thriller seinem Genre treu: Spannung ist oberstes Ziel. Gut, wenn man Feinjustierer wie Hochmair und Waschke dabei hat.
Franziska Conte (Julia Koch, l.), Lukas Geier (Philipp Hochmair, M.) und Rebecca Wohlfahrt (Lilja van der Zwaag, r.) befragen den Auftragskiller.
Lukas Geier (Philipp Hochmair) ist längst raus aus seinem Job als „Zeugenschutzbeauftragter“, hat sich zurückgezogen in die Berge, will nur noch Musik machen. Und jetzt kriegt er von Pabst (Jutta Speidel), Verfassungsschutzpräsidentin a.D., schon wieder einen Fall aufs Auge gedrückt. Geiers neuer Klient wird nur „der Chirurg“ genannt, weil er seine sieben Morde für die kalabrische Mafia höchst präzise ausgeführt und keine Spuren hinterlassen hat. Jetzt will er aussteigen: Informationen über einen Maulwurf im LKA gegen eine neue Identität, so der Deal. Ein Top-Angebot für einen Profikiller. Da allerdings dem Mann, der sich im Alltag Roland Büttner (Mark Waschke) nennt und als Koch arbeitet, nichts nachzuweisen ist, doch eine Win-win-Situation für beide Seiten. Da das ausgeguckte Safe-Haus nicht sicher ist, nimmt Geier Büttner mit in seine Berghütte, ein einsamer Ort, den keiner kennt. Mit dabei sind zwei Kolleginnen: Franziska Conte (Julia Koch), die er noch von seinem letzten Einsatz, dem tragischen Mord an einer ehemaligen VE, in bester Erinnerung hat, und Rebecca Wohlfahrt (Lilja van der Zwaag), ebenfalls eine alte Bekannte; Geier war ihr Ausbilder. Ein gutes Team also. Doch Geier ist skeptisch. „Das ist mehr als eine bloße Aussteigergeschichte“, prophezeit er Pabst.
„Der Geier – Freund oder Feind“, der zweite Film um den Erfinder neuer Leben, kommt schnell zur Sache. Erst sieht man Geiers Schützling, wie er einem Widersacher messerscharf und in Sekundenschnelle das Leben nimmt, dann kommt wunderbar cool Jutta Speidel als Auftraggeberin um die Ecke, bevor Geier seinen beiden attraktiven Kolleginnen gegenübersteht. Eingedenk der „Guten“, die in „Die Tote mit dem falschen Leben“ geopfert wurden, fragt man sich gerade noch, ob wohl Erotik oder Todestrieb diesmal die Oberhand über den Beziehungsplot gewinnen wird, da kommt der B-Plot ins Spiel: Ein Mann namens Valentin Seeliger (Wotan Wilke Möhring) scharwenzelt um Lara Schnee (Patricia Aulitzky) herum, die gute Freundin von Lukas Geier. Wie sich später herausstellt, ist sein Interesse rein beruflicher Natur. Er würde Schnees Luxushotel in Bad Gastein gern kaufen – und macht ihr ein traumhaftes Angebot. Derweil ist das Trio plus Profikiller in Geiers Berghütte angekommen – und es beginnt ein Psychospiel, bei dem man sich bis zum Showdown nicht sicher sein kann, wie es endet. Zunächst müssen die Drei die Identität, mit der der Killer gelebt hat, überprüfen. Keine Vorstrafen, keine Schulden, Täterwissen: Der Mann muss es sein. Aber weshalb hat er sich gestellt? „Warum machen Sie sich zum Verräter?“, will Geier wissen. Je mehr sich die Handlung zuspitzt, umso mehr Druck kann der Ex-Elitepolizist auf Büttner ausüben und umso mehr muss er von sich und den Gründen auszusteigen, preisgeben. Alles hat mit dem Oberboss der ‘Ndrangetha zu tun, „ein echter Teufel“, dem Büttner mal sehr nahestand.
„Freund oder Feind?“ Diese Frage stellt sich bis zum Schluss. Ist alles ein abgekartetes Spiel? Soll Geier in eine Falle gelockt werden? Die Geschichte des zweiten Films korrespondiert mit dem ersten: Die damals ermordete Verdeckte Ermittlerin wurde in die Mafia eingeschleust und sie wurde die Geliebten jenes „Teufels“; später bekam sie eine neue Identität, was ihr nicht weiterhalf. Den „Chirurgen“ könnte das gleiche Schicksal ereilen. Geier will das einerseits verhindern, andererseits weiß er nicht, ob er einem mindestens achtfachen Mörder trauen kann. Aus diesem Konflikt heraus entsteht die Grundspannung des Films, zu der sich im Schlussdrittel Suspense-Momente (des Mehrwissens) gesellen und die auf der Zielgeraden effektiv in Wie-Spannung umschlägt: Wie können die Hauptcharaktere überleben?, fragt man sich als Zuschauer – und hört genau hin, sieht genau hin. Man erkennt Geiers psychologische Kriegsführung, dennoch bleibt dieses Thriller-Finale neun Minuten lang ein Kampf auf Leben und Tod. Zeit genug, um Büttner allein, ohne die anderen, zu sehen und aus Mark Waschkes Spiel etwas über seine „wahre“ Rolle abzulesen, und um die smarte Coolness von Geier und Philipp Hochmair als dessen Idealbesetzung zu erkennen. Zeit genug auch, um den einen oder anderen Räuberpistolen-Satz („Und dafür werden Sie jetzt bezahlen, Herr Geier. Sie alle hier – endlich“), entsprechend übertriebene Gesten und die übermäßig geweiteten Pupillen wahrzunehmen. Am Ende aber darf man nicht vergessen, dass hier ein Thriller- und kein Drama-Konflikt ausagiert wird. Und das Hauptkriterium für einen gelungenen Thriller ist und bleibt nun mal die Spannung. Und die ist hoch und – dank des bestens Drama-geschulten Ensembles, allen voran Hochmair, Waschke und Julia Koch – stets sinnlich spürbar.
Roland Büttner (Mark Waschke) will in den Zeugenschutz und stellt sich den Fragen von Lucas Geier.
Zu viel vom Plot zu verraten, kann für den Thriller-Genuss tödlich sein. Deshalb Schweigen über die konkreten Motive des Aussteigen-Wollens, so es sie überhaupt gibt. Einiges aber darf verraten werden. „Egal, was passiert, komm‘ nicht zu meiner Hütte die nächsten Tage“, sagt Geier zu Lara Schnee. Sie wird der Bitte nicht nachkommen … Und auch diesmal erfährt man einiges über die Psychologie des Zeugenschutzes, über den radikalen Bruch zwischen alter und neuer Identität – Faustregel: Keine Gewohnheit darf übernommen werden. Was dramaturgisch an „Freund oder Feind“ gefällt: wie Geier seinem Schutzbefohlenen scheibchenweise Wahrheiten entlockt; außerdem die Art und Weise, wie Autor Dirk Eisfeld („Oktoberfest 1905“) und Regisseur Florian Baxmeyer („Lost in Fuseta“) die Backstory einbauen und vor allem wie sie darauf verzichten, alles doppelt und dreifach zu erklären, beispielsweise, weshalb der achte Mord zu Beginn am Ende alles andere als eine erzählerische Marginalie ist. Spätestens da spürt man positiv, dass den „Geier“-Filmen ein Roman zugrunde liegt. „Tutto Bene“ ist zwar auserzählt; aber es gibt von Andrea Di Stefano (alias Andreas & Stephan Lebert) ja noch „Buona Notte“.
TERMINE ERSTAUSSTRAHLUNG
Der Geier – Freund oder Feind
21. September – ORF 2
22. September – ZDF
Der zweite Film um den „Zeugenschutzbeauftragten“ a.D. Lukas Geier, kommt schnell zur Sache. Sein neuer Klient wird nur „der Chirurg“ genannt, weil er seine sieben Morde für die kalabrische Mafia höchst präzise ausgeführt und keine Spuren hinterlassen hat. Jetzt will er aussteigen. Aber weshalb? „Freund oder Feind“, der Titel der zweiten Episode von „Der Geier“ (ZDF / Network Movie) bleibt bis in den neunminütigen Showdown hinein virulent. Ist alles ein abgekartetes Spiel? Soll der Geier in eine Falle gelockt werden? Trotz stimmiger Psychologie, effektiver Dramaturgie und Drama-geschultem Top-Ensemble bleibt dieser Thriller seinem Genre treu: Spannung ist oberstes Ziel. Gut, wenn man Feinjustierer wie Hochmair und Waschke dabei hat.